Nachhilfe oder Lerntherapie?

Zum Überdenken

 

   Lerntherapie = Nachhilfe?

Nein.

Nachhilfe bedeutet, einem Schüler bei aktuellen Inhalten des Mathematikunterrichtes zu helfen. Nachhilfe orientiert sich am Unterrichtsplan.

 

Sie hilft:

Bei den täglichen Hausarbeiten, bei der bevorstehenden Mathearbeit. Der Nachhilfelehrer setzt ein mathematisches Basiswissen voraus und arbeitet am aktuellen „Stoff“, den die Schule vorgibt.

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Bei Schülern mit massiven Verständnisschwierigkeiten im Rechnen („Dyskalkulie“) ist das nicht hilfreich.

 

Schlimmer noch: Je intensiver das Kind sich erfolglos mit den aktuellen Inhalten des Matheunterrichts befassen muss, desto verzweifelter wird es! Weil ihm die wichtigsten Grundlagen des mathematischen Denkens fehlen. Besonders der „Zahlensinn“. Andere bedeutungsähnliche Wörter sind Zahlbegriff, Zahlgefühl oder Zahlverständnis.

 

In aller Regel besitzt ein Nachhilfelehrer nicht die Qualifikation für den Umgang mit rechenschwachen Schülern, will heißen das Wissen um die wahren Schwierigkeiten des Schülers. Das besitzen selbst schulische Fachlehrkräfte trotz erfolgreich absolviertem jahrelangen Vollzeitstudium nicht immer, weil dieses spezielle Wissen lange Zeit nicht Bestandteil der Lehrerausbildung in den deutschen Hochschulen gewesen ist.

 

Rechenschwache Schüler versuchen im Mathematikunterricht mit hohem Aufwand und enormer Konzentrationsfähigkeit ähnliche Erfolge zu erzielen wie ihre Mitschüler. Sie denken anders über Zahlen. Die gut gemeinten Erklärungen der Lehrkräfte und Eltern verstehen sie leider nicht. Und da sie Zahlen meist nur als sinnleere Zeichen erkennen, können sie die eigentlichen Rechenprinzipien nicht nachvollziehen. Mit jeder weiteren Erklärung werden sie verwirrter.

Und jede weitere Erklärung wird das Kind noch mehr verzweifeln lassen. „Ich bin zu doof dafür.“

 

   Kleingruppenunterricht

Nachhilfeunterricht findet nicht selten in kleinen Gruppen statt. Das erschwert die individuelle Betreuung des Schülers ungemein, da der organisatorische Rahmen es kaum ermöglicht, auf die i.d.R. sehr speziellen Denkweisen des einzelnen Schülers einzugehen. Also wird viel erklärt …

Das, was bisher falsch verstanden im Kopf des Schülers fest verankert war, muss erst einmal raus. Das gelingt aber nicht, wenn in einer Nachhilfegruppe ohne spezielle diagnostische Kenntnisse „von oben“ Neues nachgeschoben wird

also einmal mehr von einem weiteren Menschen mit wieder neuen Worten Erklärungen auf den Schüler einprasseln.

 

Es wird in den Printmedien immer mal wieder erwähnt, dass die privaten Ausgaben für Mathe-Nachhilfe in Deutschland in den letzten Jahren zugenommen haben. Gleichzeitig sinken die Leistungen der Schüler im Mathematikunterricht nachweislich. Kaum ein Lehrer, der das nicht selbst beklagt.

Komisch: Immer mehr Geld für Nachhilfe … aber überall das Jammern über nachlassende Leistungen in Mathematik?

 

   Für die nächste Mathearbeit „büffeln“

Rechenschwache Schüler lernen Neues auswendig, nämlich bis „der Kopf voll ist“ und sie platzen könnten … und vergessen Altes wieder. Das geschieht meist zu Hause mit Mama und Papa.

Mit viel Streit und Tränen …

Dieses Problem hört nicht nach der Grundschulzeit auf.

 

   Hier sind Fingerspitzengefühl … und pädagogischer, vor allem aber mathematischer Sachverstand gefragt

 

Umfangreiche mathematikdidaktische Kenntnisse (über die Grundschulinhalte hinaus!), Abläufe von Denkprozessen im Gehirn eines jungen Menschen, Einflussnahme auf die Motivation eines Schülers oder anleitende Gesprächsmodelle beim Lernprozess eines Schülers (insbesondere mit Lernstörungen) sind nicht in Wochendveranstaltungen oder Fernstudiengängen erlernbar!

 

Die Realität im Bereich Lerntherapie ist laut Jürgen Rösener, der Vorsitzende des IFRK Niedersachsen (Initiative zur Förderung Rechenschwacher Kinder), leider eine andere.

Er fordert deshalb:
Ein Lerntherapeut muss mindestens ein Studium in Pädagogik, bestenfalls mit Schwerpunkt Mathematik vorweisen. Alles andere ist Glücksache.“